Schallplatten, Tassenhalter und andere Relikte

nun, ich stamme noch aus einer zeit, da gab es relativ große, empfindliche, schwarze scheiben mit je einer rille pro seite, also in summe zwei rillen… und wenn man diese schwarzen scheiben auf das entsprechende elektromechanische gerät namens “plattenspieler” legte, die nadel vorsichtig in die von oben sichtbare rille einlegte und am “volume”-regler drehte, dann konnte man mit dezentem knistern, wie ein lagerfeuer, hinterlegte musik genießen. damit konnte man damals sogar frauen becircen… und es war schön…

damals, da gab es auch noch fahrräder, die wir “highriser” nannten, mit einer schaltungsimitation an den beiden mittelstreben vom rahmen, langem sattel und einer sissybar am heck, apehanger (heute “axe-lenker” genannt, weil damit auch achselnässe verhindert werden konnte), dezent aufgebogenen schutzblechen und vorzugsweise runden leuchten… heute nennt man die teile “beachcruiser”, lackiert sie in den perversesten farben und verkauft sie absolut überteuert mit megabreiten reifen, wo jeder landwirt ob der reifengröße automatisch an seinen traktor denkt…

und, sozusagen, als nonplusultra, ja, damals gab es tassenhalter, häufig eigenbau aus irgendwelchen legendären budweiserdosen, die wir noch unseren vätern aus dem müll geklaut haben, angebracht an den apehangern unserer highriser, dazu noch die eine oder andere schallplatte unterm arm und ab gings zur freundin… und dem hoffentlich lauschig-romantischen nachmittag entgegen…

und mit ehrfurcht vor dem schwarz, zärtlich wie als wenn wir unsere freundin küssten, so legten wir dann die schallplatten auf den plattenspieler und…

heutzutage, da ist die ganze romantik flöten! keine schallplatten mehr, mit einem beachcruiser macht man auch nix mehr her, tassenhalter sind out und knisterndes kaminfeuer reißt auch kein mädel mehr vom hocker…

statt dessen sitzen wir alle in unseren büros, fahren den tassenhalter aus dem rechner aus (oder ziehen ihn aus unseren heiligen notebooks), unsere plattensammlung gammelt im keller dahin, die highriser sind am schrottplatz, sicher schon lange recycelt…

und mit einer mausefalle fängt man heute keine mäuse mehr, denn die sind, obgleich mittlerweilen kabellos (warum auch immer welche kabel hatten, früher konnten sie noch selber laufen!), unbeweglich wie ein briefbeschwerer aus großmutters schreibstube…

musik kommt von silberscheiben, kein knistern mehr, die nadel findet auch nix mehr auf den silberlingen… die klangwärme der musikinstrumente ist dem digitalen zeitalter geopfert worden… und die sänger? nun, singen können die meißten schon lang nicht mehr, statt dessen wird nur mehr gestammelt und dann das zeugs als “hiphop” um irres geld von nachwuchsgangstas verscheppert, damit die in irgendwelchen stretchlimos umhergondeln, wie früher einst adenauer in einem pullmann-benz…

die kaufhausmusik hat swing und schwung, meine kinder nennen mich mittlerweilen “alt” und dabei hat für mich die kaufhausmusik mehr pep als die disco-musik, wobei man heutzutage nimmer disco, sondern tanztempel sagt… und wenn wir früher zu einer party eingeladen wurden, nun, damals war’s ein fest unter freunden bei einem freund daheim, jetzt heißt das “party machen” und ist eigentlich nix anderes als früher, zu studienzeiten, unsere saufgelage in unseren stammkneipen, die sich jetzt “eventbars” nennen, waren…

ich kann mich noch gut an konzerte von jethro tull erinnern, ian anderson auf einem bein mit der querflöte hinterm mikro oder wie das rumpelstilzchen quer über die bühne fegend… heute kommt “SM” und gibt eine performance… und nein, das hat nix mit erotik zu tun, im gegenteil, es ist jammern, wofür unsere kinder, mittlerweilen “kids”, eine menge geld hinblättern…

unsere mopeds wurden noch frisiert… heutzutage werden roller, entschuldigung “scooter”, gepimpt… mopeds gibt es nimmer…

aber wie früher werden von der rennleitung die kennzeichen demontiert, wenigstens eines ist noch wie damals…

mittlerweilen tragen die kids ihre hosen zumindest teilweise über dem hintern, wir hatten sie damals ganz übern arsch… die phase, wo die hosen unterm hintern mit freiem blick auf die rippqualität der u-hose gegeben war, scheint ja endlich mal vorbei zu sein und die möglichkeit, ohne lachnummer treppen zu steigen ist auch wieder gegeben…

ich kann mich sogar noch an zeiten erinnern, da wurden die erwachsenen höflich und respektvoll angesprochen, auch wenn sie damals wie heute viel mist erzählt hatten, heute? nun, heute wird man geduzt, man wird als “alter” tituliert und man habe keinen “style”, wo man stilsicher seine 501 aus dem schranl geholt hat, mit bügelfalten, wie es immer schon war, ohne löcher (im gegensatz zu heute, wo der preis der jeans mit steigender anzahl der vorfabrizierten löcher steigt…), maximal etwas verblichen und leicht abgewetzt, weil die heutigen jeans, nein, so wie damals halten die keine zehn jahre mehr…

unsere harten kerle, die rocker, die gibt es nimmer… biker nennen sich heute schon radfahrer! lederjacke? lederhose? boots? alles weg… nur ein paar verwegene mit ihren motorrädern, die tragen noch das, was für uns damals freiheit bedeutete… heute? nun, bunt wie papageien oder nur mehr in strandkleidung mit badeschlapfen (nein, keine ahnung, wie man die dinger heute nennt…) auf “motorrädern”, die mehr denn je an joghurtbecher erinnern, dahinsurren und kreischen wie großvaters “fichtenmoped” (motorsäge), aber mit motorrädern nichts mehr gemein haben, kein sonores stampfen im zweizylindertakt, keine fehlzündung mit mächtigen flammen… nur mehr schrilles kreischen wie dr. stockerl’s zahnarztbohrer…

damals, ja, die zeit, in der “fastfood” was verpöntes von den irren amis war, da gab es sie noch, die echten kaffeehäuser, wo man in ruhe seine zeitung lesen konnte, wo franz, der oberkellner manchmal ganz leise sagte “mein herr, sie werden am telefon verlangt”… heute rennt jeder mit einem “handy” herum, überall bimmelt und scheppert es und wenn nicht grad jemand telephoniert, dann dröhnen die “neuesten beats” quakend und quälend aus schallgebern raus… und tageszeitung? nein, internetcafés haben keine zeitungen mehr und woanders gibt es keinen kaffee, weder einen großen schwarzen noch einen verlängerten oder gar einen einspänner… maximal ein “täßchen” oder gar ein “kännchen”… und schmecken tut das “gschloder”… igitt!

gott, sag bloß, jetzt bin ich alt…

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Im Herzen ein Motorradfahrer, der Zeit seines Lebens sich immer mit Motorrädern, ihren Fahrern und ihrem Denken auseinandergesetzt hat, frei nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel! Entsprechend ist auch der Lebensinhalt ausgerichtet: Morgens schon als erstes die Goldwing im Sinn, dabei nicht alleine, denn auch meine Frau ist vom selben Schlag, eine Bikerin durch und durch...

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