aus dem tagebuch eines alten bikers 36

mittlerweilen bin ich schon etwas mehr als ein jahr goldwinger. es wird an der zeit, einmal eine zwischenbilanz über diese zweirad-beziehung zu ziehen und vorsichtig in die zukunft zu blicken, sofern es eine geben kann… immerhin ist eine goldwing unbestritten eine eigene kategorie motorrad, welche mit nichts aus dem herkömmlichen spektrum zu vergleichen ist.

nun, in dieser zeit habe ich gute 20.000km zurück gelegt, dabei einige schöne landstriche im wahrsten sinn des wortes erfahren, viele kehren geschwungen und auch einiges an kilometern auf autobahnen zurück gelegt, aber alles in allem, ich hatte es nie nötig, die wing zu bezwingen, im gegenteil, ich konnte mich immer von ihr leiten lassen!

zugegeben, die ersten meter waren von einer beinahe sichtbaren aufregung und einem dezent mulmigen gefühl begleitet. beides jedoch hat sich im lauf der zeit, spätestens jedoch nach dem ersten fahrsicherheitstraining gelegt. dafür kam ein unbeschreibliches gefühl der inneren befriedigung, der unbeschwertheit und des vertrauens ind dieses einzigartige fahrzeug zum vorschein.

auch heute noch, wenn ich mich ungeachtet des wetters in den sattel schwinge und mich dem herrlichen gleitens mit der sechszylindrigen hingebe, da ist dieses gefühl sofort da, eigentlich schon mit dem drücken des startknopfes…

doch zurück zum eigentlichen: was ist anders?

im grunde genommen ist eigentlich nichts anders als bei einem anderen motorrad, doch in wirklichkeit ist alles anders! zuerst einmal beginnt schon beim anblick und beim näherkommen der mythos „GoldWing“ seine macht auszuüben, irgendwie fesselnd, wie sie da steht, so massiv, so groß, wie ein dom… oder wie ein fels in der brandung… kantig, geradlinig, massiv, aber trotzdem in einer ihr eigenen eleganz, sanftmütig, zurückhaltend, wie eine grand dame aus der ära einer audrey hepburn oder einer grace jones… klingt jetzt sehr gegensätzlich, was es in vieler augen auch sein mag, sofern man eine der beiden damen kennt, aber eigentlich ist da kein gegensatz zu finden, denn beide haben ihr epoche und ihr metier geprägt, so wie seit beginn an die goldwing den begriff des motorrades geprägt und verändert hat. und darüber, so denke ich, braucht nun wirklich niemand eine grundsatzdiskussion zu beginnen, oder?

das wissen um die außergewöhnlichen eigenschaften, um die ideen und die grundgedanken im umfeld dieser maschine, auch die vielleicht grenzwertig anmutenden eckdaten, wie das eigengewicht oder hubraum oder zylinderzahl, all das mag, wenn nicht ehrfurcht, so aber doch ein mindestmaß an respekt hervorrufen. vielleicht auch etwas angst, wenn man in der situation ist, dieses motorrad bewegen zu sollen. doch, ist diese angst begründet? nicht im geringsten! ein bißchen respekt schadet zwar nicht, aber angst ist einfach nicht nötig!

eines ist sicher: wenn man nicht in der lage ist, mit seinen zwei beinen fest am boden zu stehen, weil man zu klein ist, dann sollte man vielleicht doch ein etwas dezenteres motorrad wählen, vielleicht eine F6C, aber eine wing ist doch etwas zu massiv, um sie nur auf zehenspitzen zu halten, da braucht ebenfalls niemand drüber zu diskutieren! man muß ein motorrad nun mal in jeder situation sicher abstellen können und dazu gehört nun mal, daß man den boden sicher erreichen kann. die kraft, die wing zu halten, die ist eigentlich nie wirklich ein problem, ich denke, daß es nur sehr wenige motorräder gibt, die dermaßen gut ausgewogen und ausbalanciert sind, daß sie einer wing das wasser reichen können…

jedenfalls, ich habe bisher kaum momente erlebt, wo ich die zahlenmäßig hohe masse der 15’er wirklich gespürt hätte, außer beim aufstellen, aber da ist eigentlich so ziemlich jedes motorrad schwer… doch mit der richtigen technik geht alles! klarerweise war das rangieren, vor allem rückwärts, nicht immer einfach, aber mit ein bißchen übung und entsprechend vorausschauender parkweise lassen sich fast alle situationen vermeiden, und wenn mal nix mehr geht, dann kommt eben auch schon mal die elektrische rückfahrhilfe, ein echter rückwärtsgang ist es ja nicht, zum einsatz… doch ein stoözer winger vermeidet solche manöver doch recht gerne. auch das aufbocken auf den hauptständer ist bei einer gefühlten halben tonne (okay, in natura gute 420kg!) kein echtes problem, da der hauptständer gut plaziert ist.

tja, damit hätten wir eigentlich die kritischen momente durch, abgesehen vom tanken ist so ziemlich alles ein vergnügen mit der grand dame der landstraße! obwohl das tanken auch nicht besonders schlimm ist, vor allem, wenn man bedenkt, daß doch sechs zylinder mit einem gesamthubraum von 1520 kubikzentimeter ihren dienst versehen, da ist ein durchschnittsverbrauch im alltag von durchwegs unter 7 litern auf hundert kilometern eigentlich nicht schlimm, auf reisen sind es sogar bei gemächlicher, weil geruhsamer und entspannender fahrt grad nur mehr 5,2 liter! und das bei einem reisegesamtgewicht von guten 600kg inklusive fahrer und campingausrüstung! da gönnte sich das begleitfahrzeug, eine 750’er magna deutlich mehr! und das bei halbem hubraum!

natürlich besteht das leben mit einer wing nicht nur aus rangieren, auf- oder abbocken oder tanken, es gehört auch das fahren dazu! eigentlich meint man, daß so ein brocken auf zwei rädern relativ träge sein müßte, das stellt sich aber sehr schnell als irrtum heraus! wieselflink lassen sich stadtverkehr oder bergstraßen bezwingen, ruhige autobahngleitstücke sind auch kein problem, knackige überholmanöver oder rauschendes kurvenschwingen ebenfalls nicht. daß man so manchen anderen verkehrsteilnehmer verblüfft zurück läßt, nun, das kann man als unterhaltsame nebenwirkung zählen… selbst in voller beladung bleibt die wing gut beherrschbar und stellt niemanden vor ein großes problem, voraussetzung dafür ist natürlich, daß man dem fahrwerk ein bißchen mit progessiven federn, gabelstabi und guten reifen unter die arme gegriffen hat, die anpassung des luftunterstützten federbeins an der hinterradaufhängung ist natürlich grundvoraussetzung. klar ist sie nicht unbedingt mit einer 180kg-maschine zu vergleichen, aber mit den üblichen tourern kann sie locker mithalten, vor allem was komfort und gutmütigkeit anlangt.

zu guter letzt gehört natürlich ein mindestmaß an wartung zum leben eines bikers, so manches macht man einfach selbst, so manches überläßt man der werkstatt und ärgert sich über horrende preise und hin und wieder werden eben auch dezente kampfspuren zu beseitigen sein. nun, solange die kampfspuren nicht zu arg sind, halten sich die kosten in grenzen und, eine gute werkstatt vorausgesetzt, auch die werkstattkosten sind nicht übermäßig hoch. und wenn man selbst hand anlegt, mit ein paar kniffen, die man durchwegs bei einem werkstattbesuch verinnerlichen kann, ist nicht einmal der hinterradausbau langwieriger als bei so manch anderem verkleideten bike, z.b. läßt sich der komplette heckaufbau in einer guten viertelstunde demontieren und ebenso schnell wieder montieren! auch der zugang zu den kerzen oder zum luftfilter, alles kein großer aufwand, wohingegen bei anderen bikes z.b. ein kerzenwechsel ohne fluchen und ihne tankdemontage nicht zu bewerkstelligen ist. selbst der radioausbau beim luftfilterwechsel stellt kein hinderniß dar, in einer halben stunde ist der luftfilter getauscht, dazu ist nicht einmal eine werkstatt nötig…

nur die unterwegs-pannen, wie z.b. kaputte birne im frontbrenner, die sind etwas sehr umständlich, weil dazu der doppelscheinwerfer ausgebaut werden muß… und sinnvollerweise dafür die frontabdeckung der scheibe abzunehmen ist! das hätte man sicher besser lösen können, oder?

nachtrag: hiermit verziehe ich mich mal dezent für ein paar wochen… wie heißt es in einer alten schnulze so treffend? I’m on the road again…

Author:

Im Herzen ein Motorradfahrer, der Zeit seines Lebens sich immer mit Motorrädern, ihren Fahrern und ihrem Denken auseinandergesetzt hat, frei nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel! Entsprechend ist auch der Lebensinhalt ausgerichtet: Morgens schon als erstes die Goldwing im Sinn, dabei nicht alleine, denn auch meine Frau ist vom selben Schlag, eine Bikerin durch und durch...

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