Trauerbewältigung

Vergangener freitag, 17.20 uhr, stau wie üblich…

irgendwie sind mir die beiden burschen schon aufgefallen, die da mit ihrer kleinen keksdose im stau immer wieder abstand lassen, dann volle kanne loshobeln und zuletzt voll in die eisen latschen und nur mehr ein paar zentimeter hinter dem heck meiner maschine zum stehen kommen…

idioten… rotzlöffel, meinen die, die könnten MICH nervös machen?

zweimal hat es grad funktioniert… wie lange noch, bis es nimmer funktioniert???

der wagen vor mir hält an…

ich halte auch an…

ein blick in den rückspiegel…

da kommen sie wieder, die beiden idioten…

blick nach vor…

gang einlegen, es könnte jetzt…

knarzen, splittern, brechender kunststoff, mit angezogenen bremsen macht mein motorrad einen kleinen sprung nach vorne…

nein, diesmal ist es nimmer gut gegangen, es hat definitiv nimmer funktioniert…

beide beine noch fest am boden, dann den seitenständer ausklappen, motor abstellen und zündung ausschalten…

absteigen, bedächtig, langsam…

langsam nach hinten wenden…

in der frontscheibe ist ein pickelgesicht zu erkennen, basecap schief auf der nuß, große augen, panik… und im zweiten pickelgesicht das selbe…

das scheinwerferlicht der nachfolgenden und ausweichenden fahrzeuge glitzert auf dem lackierten carbon meiner lederfinger, als ich in der matrix-typischen geste den buben am lenkrad dezent zum aussteigen auffordere… ein glitzern der geier auf meinem schwarzen helm verstärkt zusätzlich den panik-ausdruck in seinem gesicht…

blaß steigt er aus dem wagen, vorsichtig, beinahe weinerlich…

der anblick eines hoch aufgerichteten, schwarz gekleideten mit carbon-handschuhen bewehrten bikers trägt definitiv nicht zur entspannung der situation bei… ganz im gegenteil…

„was soll die scheiße? und jetzt? nix mehr warnblinkanlage? braucht man das heute nimmer?“

der panikeindruck verstärkt sich, zögerlich, trotzdem beinahe fluchtartig klettert der bursche ins auto zurück und schaltet die warnblinkanlage ein…

„und was ist mit dem pannendreieck? oder hast keines mit?“

„doch, hab ich…“ stammelt der bursche…

„worauf wartest du noch? rausnehmen und hufe schwingen! 50 meter! abmarsch!“

der bursche kramt das pannendreieck hervor und beginnt davon zu laufen… LAUFEN!

schweigend stehe ich da und beobachte den burschen, der andere steht schweigsam und blaß neben mir.

ich seh ihn an…

„was ist denn jetzt los? kann er nicht einmal so ein läppisches pannendreieck aufstellen?“ entfährt es mir, als nach minutenlangem warten nach wie vor kein pannendreieck aufgestellt ist…

ich stiefle zu dem burschen hin… nehme ihm das dreieck aus der hand… „lernt man heute nichts mehr in der fahrschule?“

ich entfalte es, baue es auf und reiche es ihm… und er will es am bankett abstellen…

„einen halben meter in die fahrbahn hinein, die leute sollen es ja sehen! tarnen brauchen wir es nicht!“

gehorsam stellt er es in die fahrbahn, die autolenker weichen aus und werden vorsichtig… der stau verstärkt sich…

wir marschieren zur unfallstelle zurück…

mit forschem ton fordere ich führerschein und fahrzeugpapiere, notiere mir die daten und reiche ihm meine visitenkarte…

sein führerschein ist mehr als nur neu, er ist beinahe noch druckwarm… seit zwei wochen hat er ihn…

jetzt weiß er, daß er noch keine ahnung vom autofahren hat…

und er weiß auch, daß es nur bedingt gesundheitsförderlich ist, einem biker ins bike zu fahren…

und er weiß auch, daß es in so einem fall nur zwei möglichkeiten gibt: kann der biker sich noch bewegen oder gar reden, dann geht er durch die hölle… will er das vermeiden, muß er den biker schon beim unfall zum schweigen und zur reglosigkeit bringen… aber durch die hölle geht er trotzdem, vor allem bei den schwarz gekleideten…

man lernt für’s leben, vor allem mit mama’s auto… wow, da kommt die nächste katastrophe! er darf mama auch noch beichten!

und gleich darauf nähert sich die ursache für einen erneuten panik-anfall der beiden burschen…

ein silberfarbener vw-bus hält an, blaulicht blitzt auf und taucht alles in einen beinahe unwirklichen, schon fast gespenstischen lichtschein… die polizei! und er hat erst seit zwei wochen den führerschein und schon den ersten unfall! kann es noch schlimmer werden?

die plastikteile werden unterdessen im topcase meiner schwarzen schönheit verstaut, während ich dem beamten erkläre, daß alles bereits geregelt ist und wir nur mehr die teile zusammenräumen und dann die unfallstelle räumen…

der beamte lächelt freundlich und steigt wieder in sein fahrzeug… der bursche ist sichtbar erleichtert.

aber nicht lange, wir fahren an einen beleuchteten parkplatz zur näheren schadensbegutachtung, soweit das im kunstlicht am abend noch möglich ist…

„ja, gute arbeit, soweit ich das jetzt schon sagen kann…“

der bursche wird neuerlich blaß…

„was heißt das?“

„naja, wenn du etwas pech hast, ist die grundverkleidung auch beschädigt… und die ist mehrschichtig lackiert und geht bis nach vor unter die sitzbank…“

ich stehe auf und zeige ihm, was ich meine… ja, das verkleidungsteil ist groß… verdammt groß…

„der lack ist ein speziallack von honda, schwarz, mit glittereffekt und wenn die sonne im richtigen winkel drauf fällt, wird der lack violett… da bist mit locker einem tausender dabei! das rentiert sich für zwei wochen führerschein!“

der letzte rest farbe weicht aus seinem gesicht… „aber das zahlt meine versicherung!“

„klar, aber durch deine dummheit und dein fahrlässiges verhalten wird sie es auf dem regressweg zurück fordern…“

neuerlich panik…

er lernt für’s leben… ein biker, dessen bike sinnlos demoliert wurde, kann sehr unfreundlich sein…

und er lügt gerne und mit genuß, vor allem, wenn das „opfer“ selber schuld ist…

und dann kommen für mich die ersten tage ohne eigenes motorrad… da ist das bißchen panik-verursachen und lügen und gemein-sein gerechtfertigt…

es ist schön, ein schwein zu sein… und ich steh‘ dazu!

Author:

Im Herzen ein Motorradfahrer, der Zeit seines Lebens sich immer mit Motorrädern, ihren Fahrern und ihrem Denken auseinandergesetzt hat, frei nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel! Entsprechend ist auch der Lebensinhalt ausgerichtet: Morgens schon als erstes die Goldwing im Sinn, dabei nicht alleine, denn auch meine Frau ist vom selben Schlag, eine Bikerin durch und durch...

16 thoughts on “Trauerbewältigung”

  • allein der „titel“ klingt für so manchen vermutlich etwas befremdlich… so wie es in der golf-, käfer-, bully-, 2cv-szene üblich ist, ist es bei uns bikern schon seit anbeginn gewesen: der mesch baut eine unwirklich-zwischenmenschliche beziehung zu seinem motorrad auf… das motorrad bekommt grundsätzlich einen namen, in der regel einen frauennamen oder eben eine passende, weibliche deklaration wie z.b. „black lady“ oder sonst irgendwie…

    klar, ein motorrad ist „nur eine maschine“, aber im gegensatz zu einem „normalen pkw“ wie ein audi a3 oder ein 3’er-bmw hat ein motorrad seltsamerweise dennoch menschliche züge, vor allem weibliche…
    wunderschöne kurven, ein im regefall sanftes, manchmal auch zickiges gemüt und es ist bei liebevoller behandlung treu… (was frauen ja auch sind! und frauen haben ja auch wunderschöne kurven! und sie wachsen uns männern auch ans herz…)

    der einzige unterschied zwischen frauen und motorrädern ist, daß die meisten von uns mit 15 oder 16 das erste moped haben, aber erst später die erste freundin, oder nicht??? und wenn es die richtige frau ist, dann gibt sie uns wie unser motorrad auch das gefühl einer wundervollen, inneren freiheit…
    …und teilt dieses gefühl vielleicht auch noch mit der selben leidenschaft mit uns…

    gehabt euch wohl,
    euer biker-Grazer…

  • Jemand mit Topcase auf dem Moped darf sich meiner Meinung nach nicht Biker nennen!!!

    LG
    Porky vom T5net

  • Was ist dann mit den Leuten, die ihre Kubikmonster nur zur Deko rumstehen haben und im Jahr keine 200 km zurücklegen?

  • @porky: nix schwarzes leder, aber große koffer und natürlich topcase an der deauville… aber wie willst auch du einen verstehen, der im jahr 20.000km abspult und dabei sogar im hagel, schnee und logischerweise auch im regen mit seinem 250kg-plastikbecher unterwegs ist… geht das mit deiner britin überhaupt??? (obwohl grad die briten mit regen sehr viel erfahrung haben sollten, drum bekommt man bei einem landrover auch serienmäßig gummistiefel mitgeliefert…) ;-P

  • Ich frag‘ mich nur, wie die Briten das mit dem Stauraum generell managen – wobei, bei den Briten haben ja selbst die Autos kaum Platz

  • rei, kannst du dich an die verchromten gepäckträger der alten spitfire erinnern oder der alten MGA’s??? wasserdichte verpackungen haben die briten sowieso schon ewig… (siehe gummistiefel und landrover)

  • wow-wow-wow!
    was hab ich da bloß gemacht,
    wollte natürlich niemenden hier ans bein pinkeln mit meinem beitrag. war eher als kleiner joke gedacht der natürlich ein wenig provoziert.
    jeder soll fahren was er will, und sich auf sein moped schrauben was er will.
    @ grazer u. stargazer,
    ich fahr weder 200 noch 20000km im jahr, sondern 10000, was natürlich zur folge hat dass auch ich manchmal im regen fahre. ja das geht auch mit einer britin, und das sogar ganz gut, und macht mächtig spaß.
    @ toei rei,
    mir reicht dazu der gegebene stauraum völlig aus, hab immer alles mit was ich brauche.
    soweit so gut
    lg und viel spaß!

  • @porky: *grins

    klar, daß deine britin im regen eher kein problem hat, aber wie sieht’s bei sonnenschein aus? das kennen inseleuropäer doch gar nicht…

    ach ja, ich persönlich finde die replikas von triumph einfach nur schön… selten, daß moderne motorräder mit so viel stil und liebe zum detail auf „old scool“ getrimmt wurden! nur die rocket, die ist knapp daneben… hubräume über 1300 kubik sollte man den japsen und den amis überlassen, das können die einfach! *grins

  • Triumph Rider says:

    Gerade die Triumphs haben leider im Regen oft Probleme mit den Kerzen, weil die Engländer zu blöde sind, die Kerzenschächte entsprechend zu entlüften (fehlende Bohrung)! ;-(((

  • Dass Gott Biker war, ist ja klar – der Zeile „… und er fuhr mit Triumph in den Himmel“ belegt es ja. Wieso jemand bei der Auferstehung 3 Tage gebraucht hat muss an den Zündkerzen gelegen haben…

    Schön langsam ergibt das Alles einen Sinn

  • ja… und als er den heiligen geist gesandt hat, haben hier in vorarlberg alle gefragt „hond a öppis g’hört???“ und dann kam die erste HONDA…

    tja, wenn man die bibel richtig liest, findet man ganz deutlich zeitzeichen dafür, daß es motorräder schon seit mehr als 2000 jahren gibt…

  • Was den Motor betrifft werden wir eventuell aus geschichtlichen Gründen auf Probleme stoßen, wie zum Beispiel das noch-nicht-geboren-sein von Herrn Nikolaus August Otto. Ansonsten ein netter Ansatz, ihr Zwei

  • @toei: und? der glaube versetzt berge! ;-P

    außerdem, so richtig im dialekt (ich versuch’s zumindest mal!): honda scho gsenna, desch is a grusigs toal… auf gut hochdeutsch (schprachwissenschafter mögen nachsichtig sein!) „habt ihr die HONDA schon gesehen? das ist ein göttliches Teil!!!“ und damit kann doch wahrhaftig nur die GOLDWING gemeint sein, mit der Jesus mit TRIUMPH gen himmel gefahren ist…

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