aus dem tagebuch eines alten bikers 31

es ist draußen zwar schon finster, aber an hand der scheinwerfer der autos kann ich die gegend dennoch gut erkennen… und irgendwelche fleißigen landschaftspfleger ziehen in gemächlichem tempo die landschaft am fenster vorbei, hin und wieder, wenn eine abbildung eines bahnhofs, der zum großteil eigentlich nur aus einem flugdach und einer erhöhten gehsteigkante zu bestehen scheint (danke, öbb, für das ultrasparpaket!), gibt es eine kurze unterbrechung und die stationsbeleuchtung, die mehr ähnlichkeit mit einer friedhofslaterne als mit einem lichtspender hat, funzelt runter auf diverse zigarettenkippen und anderen müll…

schöne, heile welt! und so wahnsinnig vertrauenseinflößend, kein wunder, daß kaum ansehnliche damen die trüben und traurigen gedanken ein wenig zum abschweifen bringen… und das gedudels aus den ohrstöpseln der kids vor mir macht mich auch nicht gerade fröhlich, im gegenteil, langsam steigen agressionen hoch und ich denke eher daran, die ohrstöpsel in gehirnimplantate zu verwandeln…

wo sind die zeiten hin, als das einzige geräusch, das das einschläfernde tacken über die schienenstößte, das schnarchen des dicken von links drüben war? damals war das schnarchen eher mehr belustigend als nervtötend, heute fehlt es mir…

irgendwo steigen weitere jugendliche zu, der lärmpegel steigt mit der anzahl der jugendlichen, beinahe quadratisch, aber das kapiert ja der hier anwesenden intelligenzallergiker sowieso keiner… offensichtlich sinkt die anzahl der synapsen direkt proportional zur anzahl der beats pro sekunde… oder so… wieder was für anwesende intelligenzallergiker…

ist diese form der selbstkasteiung, also der verzicht aufs bike, nicht auch eine form des masochismus des 21. jahrhunderts? was ist schlimmer? bahn-fahren oder das allerheiligste dem unvermögen der autofahrer bei schlechter witterung und dunkelheit auszusetzen? und ist es strafbar, dem busfahrer zur hand zu gehen und behindernde (und minderbemittelte) autolenker zu verprügeln? oder bekommt man dafür einen orden vom häuptling des öffentlichen nahverkehrs? mit der anzahl der gefahrenen bahnkilometer, multipliziert mit der anzahl der tage im selbstversuch, dann die quadratwurzel aus dem ganzen, das dürfte recht genau die anzahl der wirren gedanken ergeben, die einem biker während so einem selbstversuch pro stunde durch’s hirn schießen… richtig sensationell, wie sich psychologie mit mathematik verbinden läßt, wenn einem nix mehr, aber auch wirklich nix mehr halbwegs vernüfntiges einfällt, weil man mit hiphop und trance zugemüllt wird…

klar, mittlerweilen hört man ac/dc in der umkleidekabine beim vögele oder anderen einkaufstempeln, und wenn man nur ein bißchen hinterlistig und gemein ist, würde man das als zeichen des alterns deklarieren… meine hits sind liftmusik in einkaufstempeln… sie werden auch im media markt unter „oldies“ geführt… und die stones gehen, wenn nicht grad fotografen in der nähe sind, am stock…

und? dann bin ich eben alt, aber ich bin immer noch ein biker! und ich liebe es, am motorrad zu sitzen, mir den wind um die nase wehen zu lassen und mir abends den staub aus der kutte zu schütteln… und der tägliche gang zum zigarettenstand, das ist für mich beinahe so wie für pseudokatholiken der sonntägliche gang in die kirche… und es gibt nur einen weg zur lunge und der muß geteert sein… es lebe der sondermüll! und ich bin recyclingfähig! man kann aus meiner lunge sicher 100m teerfuge gegen motorradfahrer machen…

hat irgendjemand meinen pfleger gesehen? den großen mit der spritze…

Author:

Im Herzen ein Motorradfahrer, der Zeit seines Lebens sich immer mit Motorrädern, ihren Fahrern und ihrem Denken auseinandergesetzt hat, frei nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel! Entsprechend ist auch der Lebensinhalt ausgerichtet: Morgens schon als erstes die Goldwing im Sinn, dabei nicht alleine, denn auch meine Frau ist vom selben Schlag, eine Bikerin durch und durch...

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